TEAMENTWICKLUNG

Modernes Arbeitsrecht für eine moderne Arbeitswelt

 Stefan Wyer, 4. Juni 2022

 

 

Die Arbeitswelt hat sich verändert. Und das nicht erst seit der Corona-Pandemie. Die Arbeitszeitmodelle sind vielfältiger geworden.  Für unsere moderne Dienstleistungsgesellschaft braucht es ein modernes Arbeitsrecht, das den heutigen Anforderungen gerecht wird, ohne dabei den Gesundheitsschutz aus den Augen zu verlieren. 


Vollzeit, Vertrauensarbeitszeit, Jahresarbeitszeit, Schichtarbeit, Gleitzeitmodelle, Teilzeitmodelle, Jobsharing, Man könnte noch die sogenannte «Gig Work» hinzunehmen, ein in den letzten Jahren vermehrt aufgetauchte Form von Arbeit. Das umfasst im Wesentlichen kurzfristige, zeitlich befristete Dienstleistungen wie z.B. Taxifahrten (Uber), Übernachtungen (Airbnb) oder Reinigungsarbeiten. Die Dienstleister sind ad hoc verfügbar und das Arbeitsverhältnis endet entweder nach einer bestimmten – eher kurzen – Zeitspanne oder mit Erfüllen des Auftrags. Die Gig-Worker bzw. ihre Dienstleistungen werden in der Regel über eine Online-Plattform vermittelt. Das bringt zweifellos neue Herausforderungen an Unternehmer, Mitarbeitende und Sozialpartner mit sich.

 

Flexible Arbeitszeiten sind gefragt

Traditionelle Betriebe bauen in der Regel immer noch gerne auf traditionellen Arbeitsformen auf. Deutlich zu spüren war in den letzten Jahren aber die Tendenz hin zu mehr Teilzeitarbeit und – durch die Corona-Pandemie deutlich verstärkt – zu mobilen Arbeitsformen wie Home-Office oder generell Telearbeit. Und das nicht mehr nur bei den Frauen. Auch Männer ziehen zunehmend eine Teilzeit-Anstellung vor, um mehr Zeit für Familie und/oder Freizeit zu erhalten. Das reicht mittlerweile bis in die Kaderpositionen. Jobsharing ist auch unter Kadern nicht mehr ein Tabu, obwohl hier noch sehr wenige davon Gebrauch machen, je höher positioniert sie sind. Auch sind in Klein- und Mittelbetrieben die Führungspersonen noch immer eher Vollzeit tätig.
 

Mit der Zunahme des Dienstleistungssektors ist die Flexibilisierung der Arbeitszeit zu einem immer grösseren Thema geworden, getreu dem Motto, dass man für den Kunden da zu sein hat, wenn der Kunde uns braucht. Wir spüren das stark in der Treuhandbranche: Die Treuhänder unterstützen ihre Auftraggeber in der Regel in Bereichen, für welche diese wenig und sehr oft erst nach Arbeitsende oder am Wochenende Zeit haben. Das führt dann dazu, dass unsere Treuhänder noch am Abend Mails beantworten, telefonieren, Videokonferenzen abhalten müssen. Das gilt aber auch für andere Dienstleistungsbetriebe.

 

Hohes Mass an Selbstverantwortung

Gängig sind in den meisten Unternehmen Arbeitszeitkontrollen: einstempeln – ausstempeln. Was für Industriearbeiter Sinn macht, gilt nicht bei kundenorientierten Dienstleistern. Bei der Vertrauensarbeitszeit wird die Arbeitsleistung nicht an der abgesessenen Zeit gemessen, sondern am Ergebnis der Arbeit. Das erfordert klare Zielvereinbarungen, was die Unternehmensführung nicht einfacher macht, im Gegenteil. Nicht alle Tätigkeiten sind dafür geeignet, sondern in erster Linie solche, die mit einem gewissen Mass an Eigenverantwortung in Bezug auf die zeitliche Ausgestaltung verbunden sind. M.a.W. für eher mittlere und höhere Kader, die ihre Arbeitszeit, ihren Arbeitsrythmus und ihren Ressourcen-Einsatz eigenständig den Bedürfnissen der Kunden anpassen können müssen und dafür eine höhere Eigenverantwortung tragen.

 

Mit flexiblen Arbeitszeitmodellen wird man den heutigen Bedürfnissen von Arbeitgebern und -nehmern zumindest in der Dienstleistungsbranche gerecht. Mehr Freiraum in der Gestaltung der Arbeit ermöglicht die Anpassung der Leistungserbringung an die individuellen Möglichkeiten (Stichwort Vereinbarkeit von Familie und Beruf), die Reduzierung von Leistungsstress durch eine bessere zeitliche Verteilung der Arbeit und damit ganz allgemein eine höhere Arbeitszufriedenheit.

 

Notwendige rechtliche Anpassungen

Unser Arbeitsrecht steht einer solchen weiteren Entwicklung noch entgegen. So darf nicht beliebig lange am Tag gearbeitet werden, und dies nur in einer bestimmten Zeitspanne, Pausen sind einzuhalten, und es gilt das Sonntagsarbeitsverbot. Das im Industriezeitalter entstandene Gesetz legt den Schwerpunkt auf den Gesundheitsschutz, wie er für die Industriearbeitenden auch nach wie vor richtig ist.

 

Für unsere moderne Dienstleistungsgesellschaft braucht es aber ein modernes Arbeitsrecht, das den heutigen Anforderungen gerecht wird, ohne dabei den Gesundheitsschutz aus den Augen zu verlieren. Grundsätzlich muss es möglich sein, die Arbeitszeit zu flexibilisieren. Eine zukunftsfähige Ausgestaltung der Arbeitsmodelle ist ein wichtiges Instrument für die Wettbewerbsfähigkeit. Die Thematik ist auch aufgrund der Corona-Pandemie aktuell, denn die Krise hat gezeigt: Wir müssen neue Wege gehen. Es geht hier allerdings nicht darum, dass die Arbeitnehmer mehr arbeiten, sondern dass sie ihre Arbeitszeit flexibler einsetzen können. Der Gesundheitsschutz ist nach wie vor eine Prämisse. Denn ein Zeichen unserer Zeit ist auch die Zunahme an Burn-outs. Damit sich Mitarbeitende mit Vertrauensarbeitszeit nicht auslaugen, braucht es ein Mindestmass an Kontrollen.

 

Parlamentarischer Vorstoss zur Flexibilisierung der Arbeitszeit

Einen gangbaren Weg zeigt die Parlamentarische Initiative zur Teilflexibilisierung des Arbeitsgesetzes und den Erhalt bewährter Arbeitszeitmodelle auf, die von Ständerat Konrad Graber bereits 2016 eingereicht wurde. Kernpunkt ist die Einführung eines gesetzlich verankerten Jahresarbeitszeitmodell mit einem gestärkten Gesundheitsschutz für bestimmte Kategorien von Arbeitnehmenden. TREUHAND|SUISSE setzt sich deshalb zusammen mit anderen Verbänden der Beratungsbranchen in der Allianz Denkplatz Schweiz für die Umsetzung der Initiative.